Magnum 45

Eine Serie brutaler Morde erschüttert die Bevölkerung Roms. Bei allen seinen Taten lässt der Täter ein ganz besonderes Markenzeichen zurück – jeweils eine Karte mit einem Motiv aus dem Meisterwerk deutscher Kuschelpädagogik, dem Struwwelpeter (knallharte Recherchen haben ergeben: Der wird wirklich so geschrieben).

So kann das natürlich nicht weitergehen, denkt sich Inspektor Lomenzo und macht sich an die Aufklärung der bizarren Mordserie. Getreu dem Motto „Doppelt Aufklären schadet dem Vermehren“ will allerdings auch Privatdetektiv Riccio den Slashpeter stoppen. Ob das wohl gut geht? Noch eine Detektei verdirbt schließlich oft den Brei (alte Polizistenweisheit).

Moment, italienische Produktion – fehlt da nicht noch was? Richtig, mindestens eine gutaussehende Frau! Die hört hier auf den Namen Jeanne und ist gar nicht Panne, sondern bringt Inspektor Lomenzo auf ein ganz heiße Spur: Alle Morde stehen in Verbindung mit einem dubiosen „Club der Tierliebhaber“ (altdeutsch für „Club der Tierliebhaber*innen“), der sich regelmäßig in einer „Villa
Hoffmann“ traf.

Wer damals gut im Deutschunterricht aufgepasst hat, weiß natürlich dass der Autor vom „Struwwelpeter“ auch Hoffmann hieß. Na, ob das wohl gerade in einem italienische Thriller ein Rainer Zufall ist? Dann gibt es da außerdem noch einen Herrn Struwwelpeter und eine Frau Täterin… kleiner Scherz, höhö…

Und zufällig handelt es sich hier auch nicht nur um einen schnöden Thriller, sondern um einen Giallo.
Wer den Begriff noch nie gehört hat: Diese besondere Variante des Thrillers entstand (unter anderem von den deutschen Edgar-Wallace-Streifen beeinflusst) Ende der sechziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts in Italien. Der Mörder selbst trägt bevorzugt schwarze Lederhandschuhe und die anwesenden Frauen gerne mal gar nichts. Weiterhin wird besonderer Wert auf stylishe Bildkomposition und einem erlesenen Soundtrack gelegt, Handlung ist da gerne mal eher Nebensache.

Gleichzeit geht die Tante Paula aber auch als Poliziesco durch – ein weiteres, Ende der 1960er Jahre in Italien entstandenes Genre, bei dem es um den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Mafia und korrupte Eliten geht. Der Kommissar trägt Schnauzbart, ist ein harter Hund und hat nichts zu verlieren. Gutaussehende Frauen hingegen verlieren oft aus nichtigen Anlässen ihre Textilien und unbestechliche Gesetzeshüter gerne mal ihr Leben aufgrund eines hohen Bleigehalts im Blut.

Ob „Magnum 45“ (das ist der deutsche Titel von „E Tanta Paura“ und der ist mal wieder ordentlich unpassend) nun Giallo oder Poliziesco ist, ergibt ähnlich viel Sinn wie die Frage „Beatles oder Stones?“. Genauer gesagt kann man hier davon sprechen, dass Regisseur Paolo Cavara beide Genres munter vermischt und überhaupt mit der Story sehr locker umgegangen wird. Da verschwinden auch schon mal Charaktere einfach aus der Handlung, Sinn und Logik sind eher zweitrangig oder es gibt Elemente, die eher was von einem Science Fiction Film haben.

Gleichzeit hat man öfters den Eindruck, dass der Regisseur eigentlich eine Giallo-Komödie drehen wollte – ein Genre, dass es (im Gegensatz zur Italo-Western-Komödie) zu einem äußerst überschaubaren Output gebracht hat (dem Autor würden spontan nur „Leichen muss man feiern, wie sie fallen“ und „Neun Leichen hat die Woche“ einfallen, wobei Spötter behaupten dass man „The Card Player“ aufgrund seiner Schlechtigkeit dazu zählen könnte). Dieser Eindruck wird übrigens noch durch die deutsche Synchronisation verstärkt, die an einigen Stellen jederzeit einen Sonderpreis für Unwokeness gewinnen würde.

Dass Regisseur Paolo Cavara auch Giallo in Ernst kann, hatte er übrigens fünf Jahre vorher („E Tanta Paura“ entstand 1976) mit „Der schwarze Leib der Tarantel“ bewiesen, womit wir beim Werk von Cavara wären. Dieses ist zwar recht überschaubar (dreizehn Filme listet die OFDB auf, die IMDB meint drei mehr zu kennen), aber dafür weit gefächert: Western, Komödie, Giallo, Drama, Kriegsfilm und Mondo. Was das letztgenannte Genre angeht (Hinweis vom Erklärbär: Sensationsheischende Pseudo-Dokumentationen, ohne wirkliche Handlung und mit meist zynischem Sprecher – spätestens seit Ende der 70er Jahren dank Müll wie „Gesichter des Todes“ geliebt von Pädagog*innen und besorgten Eltern) kommt Cavara mit „Mondo Cane“ sogar der etwas zweifelhafte Ruf zur Ehre, Mitbegründer dieses Genres zu sein. Wer übrigens mit Nerd-Wissen unter James Bond Fans punkten will: „Der schwarze Leib der Tarantel“ wartet mit drei Bond-Girls auf!

Und auch bei „E Tanta Paura“ gibt es jede Menge Star-Power: Michele Placido hat es bis heute auf über 100 Filmauftritten gebracht und war in den 80er Jahren mit seiner Hauptrolle in der Serie „Allein gegen die Mafia“ ein Megastar. Corinne Cléry tauchte ebenfalls bei James Bond („Moonraker“) auf und Tom Skerritt sogar bei „Alien“. John Steiner sah man später noch in diversen Italo-Klassikern wie in dem Giallo „Tenebrae“ oder „Jäger der Apokalypse“ und Eli Wallach darf Titel wie „Zwei glorreiche Halunken“ und „Wall Street“ von Oliver Stone in seiner Vita nennen.

Lange Zeit war es übrigens sehr schwer „E Tanta Paura“ überhaupt in irgendeiner Form zu sehen, bis es eine DVD-Veröffentlichung des italienischen Labels Raro Video gab. Dies nahm das österreichische Label Cineploit zum Anlass, eine wunderschönen Blu-Ray zu veröffentlichen, die sogar mit der damaligen deutschen Synchro-Tonspur ausgestattet ist. Diese stammte zwar von einer alten VHS (eine bessere Quelle ließ sich nicht mehr auftreiben) und ist vielleicht nichts für Hifi-Fans, macht den Film aber gleich nochmal eine Spur unterhaltsamer und zum passenden Beitrag für die B-Film Basterds.

Abschließend wollen wir uns beim Label Cineploit bedanken, das nicht nur die Aufführung von „E Tanta Paura“ bei den B-Film Basterds ermöglicht hat, sondern das B-Film Basterds Filmfestival auch schon seit Jahren unterstützt – vielen Dank!

Filmtipps.at sagt: „Paolo Cavaras zweiter Giallo ist ein unglaublich lässiger Kracher, den Kenner nicht umsonst als Geheimtipp schätzen. So locker flockig mit allem was dazu muss, wurde selten eine italienische Mordoper zelebriert. Bomb as Fuck!“