Salon Kitty

Die Verbindung von Erotikfilm und den Verbrechen der Schergen des dritten Reichs erwies sich schon immer als eher unerquicklich. Das nannte sich Nazisploitation und war eine gerade in den 70er-Jahren populäre Spielart des Sexploitation-Kinos. Dabei erscheint es bei genauer Betrachtung gar nicht so abwegig, dies zu vereinen. Der Uniformfetisch und das sadomasochistische Spiel mit dem Prinzip des Herren und des Dieners gehörte eben zu den Tabus, die es in der Zeit nach dem Abebben der sexuellen Revolution noch zu brechen galt. Eine ganze Generation lag zwischen dem Ende des 2. Weltkriegs und der Filmkultur der 70er, der Schrecken schien auf Distanz, das Kokettieren mit NS-Devotionalien hip und verrucht – und wahrscheinlich spukte auch im Kopf manchen Mannes auch das eigene Bildnis in einer adretten SS-Uniform herum. In Italien, wo sich die Gesellschaft mit der Aufarbeitung der Ära Mussollini schwer tat, erwuchs dann diese neue Spielart des ausbeuterischen Films zu erstaunlich produktiver Blüte. Die Visualisierung des sexuellen Treibens der Monster in Uniform weckte die Neugier der Kinogänger, die nicht selten dem Ekel wich, angesichts der unappetitlichen Machwerke, die im Zuge dieses Trends in die Kinos gespült wurden. Dennoch brachte dies auch alle paar Jahre einen Film hervor, der mehr sein wollte als die Summe seiner Teile, oder es zumindest vorgab. Eben einen Film wie SALON KITTY von Erotikfilmer Tinto Brass (CALIGULA).

Es ist 1939, der Kriegsbeginn liegt wie ein alles vernebelnder Schleier in der Berliner Luft. SS-Offizier Helmut Wallenberg (Helmut Berger) wird damit beauftragt, fortan die Geschicke hinter den Kulissen des angesagten Bordells „Salon Kitty“ zu lenken. Denn dort geben sich ausländische Diplomaten wie auch hohe NS-Funktionäre die Klinke in die Hand. Er zwingt die Puffmutter Kitty (Ingrid Thulin), ihre Belegschaft gegen linientreue junge Frauen aus den Bund Deutscher Mädel auszutauschen und installiert versteckte Abhörgeräte auf den Zimmern. Mit den schönen Sexarbeiterinnen des Hauses als Speck, soll er diese Mäuse in die Falle locken, die brisanten Informationen, die dort als Bettgeflüster die Runde machen, sammeln. Das Ziel ist Erpressung, Denunziation und die Auslese in den eigenen Reihen. Doch als die Protituierte Margherite (Teresa Ann Savoy) erfährt, dass ihr Geliebter von der SS hingerichtet wurde, verbündet sie sich mit Kitty, um den genauso skrupellosen wie ehrgeizigen Wallenberg zu Fall zu bringen.

SALON KITTY ist ein durchaus perfides Seherlebnis. Unter seinen für gewöhnlich billig heruntergekurbelten und ultra-sleazigen Mitläufern im Subgenre der Nazisploitation sticht er als qualitativ durchaus gediegen hervor. Die Ausstattung ist hochwertig, die Fotografie wunderschön, die Darsteller, allen voran Helmut Berger (DIE VERDAMMTEN, DER TOLLWÜTIGE), liefern eine mehr als ordentliche Vorstellung ab. Und Regisseur Tinto Brass gibt hier den Verführer der Zuschauerschaft. Er spart zwar den Schrecken des Terrorregimes nicht aus, stellt in manchen Szenen auch widerliche Experimente an jüdischen oder geisteskranken Gefangenen zur Schau, entblößt die Bestien, die sich hinter den Masken der vorgeblichen Befehlsempfänger verstecken. Aber das verhüllt er in die durchaus erotischen Szenen und die verquere Liebesgeschichte wie in einen kuscheligen Pelzmantel. Aber SALON KITTY ist mitnichten eine verdreckte Perle, der Film ist ein geschniegeltes Monstrum, der Täter und Opfer zu Objekten seiner Triebhaftigkeit degradiert. Tinto Brass geht dies dazu noch mit einer Ernsthaftigkeit und Selbstverständlichkeit an, die ihresgleichen sucht. Dies macht dann auch die Faszination aus, die von diesem Werk ausgeht. Er geleitet das bürgerlich-spießige Publikum zum voyeuristischen Schlüsselloch der Nazisploitation, ohne dass er am Ende dafür Reue empfinden muss. Dies ist seine große Qualität, auch wenn es schwer fällt, dies anzuerkennen.